Ein Roboter der in aller Seelenruhe ein Sand-Mandala erstellt? Dafür brauchen Tibet-Buddhistische Mönche tagelang. Sehen Sie sich das Foto an, wie detailreich diese Sandbilder sind, und wenn Sie mehr Zeit haben dieses Zeitraffer-Video: Creation of a Sand Mandala.
Screenshot aus dem Video: Scribit & the MIT Dalai Lama Centre for Ethics unveil world first Robotic Mandala. Einen solchen Roboter habe ich mir jedenfalls vorgestellt, als ich diese Überschrift im MIT Technology Review las:
Ein solches Mandala aus farbigem Sand zu modellieren, ist eine Meditationshilfe. Klar macht ein Roboter die Sache schneller und einfacher. Aber das ist doch sicher nicht im Sinn dieses Rituals? Damit wird es doch ad absurdum geführt!
Bei der Lektüre des gesamten Artikels stellt man dann fest, dass dieser Scribit Write-and-Erase-Roboter viel weniger kann als die Aufmerksamkeit heischende Überschrift suggeriert. Wie man im zweiten Teil des MIT-Videos sieht, kann das Device lediglich Umrisse eines Mandalas an die Wand zeichnen, und sie anschliessend auch wieder löschen. Für mein Empfinden bewegt sich das Zeichen-Device so hektisch, dass man dabei schwerlich in einen meditativen Zustand kommt. Aber der Buddhistische Mönch am MIT, Tenzin Priyadarshi, meint das Zuschauen würde helfen, in einen entspannten Zustand zu kommen; schliesslich müsse man sich nicht handwerklich anstrengen und ums Gelingen sorgen, sondern hätte mehr Zeit für die reine Kontemplation.
Darüber kann man doch nur verständnislos den Kopf schütteln. Andererseits provoziert er damit die Neugierde, ob da doch was dran sein könnte.
Mit folgendem Experiment habe ich mich an Antworten herangetastet. Für die Handarbeit-Variante fand ich im Keller noch eine Blechdose mit Ostermalerei-Zubehör aus Kinderzeiten. Die Farbstifte waren noch nicht eingetrocknet, und so konnte ich beginnen, ein Mandala-Osterei zu kreieren. Vermutlich kann man so eine Ahnung bekommen wie es wohl wäre, ein in über 100-mal längerer Zeitdauer ein Sandbild zu erstellen. Nun, die Eiermalerei war eine wundervolle halbe Stunde in gedankenverlorener, ja wirklich meditativer Stimmung.
Selbst das rituelle Zerstören am Schluss konnte ich – ganz ähnlich – am Osterei zelebrieren: Beim Pellen wird mit der Schale ja auch das Gemalte zerstört, und das Ei landet in Mund und Magen. Der zusammengefegte Sand der Mandalas wird übrigens in ein Säckchen gegeben und dann in ein fliessendes Gewässer ausgestreut.
Für die Robo-Gadget-Variante, dass eine Maschine das Osterei bemalt, blieb mir nur die Vorstellungskraft. Hmmm – selbst wenn man nur zuschaut, ist das bestimmt entspannend und meditativ. Schliesslich gibt es ja auch diese mehrere Stunden langen Videos mit Kaminfeuer, Aquarien, Nordlichtern oder Führerstandsfahrten, die Leute sich anschauen.
Mein Fazit ist und bleibt trotzdem: Mensch vor Maschine – das einzig Wahre ist handgemacht, nicht automatisiert. Die spirituelle Essenz der Sand Mandalas ist doch das Schlussritual, die Zerstörung. Diesen tieferen Sinn kann man meiner Experimenterfahrung nach nur erfassen, wenn man das Kreieren von Schönem Moment für Moment selbst er-LEBT und dieses «hohe Investment» dann dem ewigen Kreislauf der Natur zurückgibt und dabei lernt, dies nicht als schmerzliche Vergänglichkeit zu betrauern.
Autor: Prof. Dr. Andrea Back
Tags: Kolumne