KI kann nur eingetrichterte Intelligenz

Wozu braucht es mehr Intelligenz: Für Schach oder für Jassen? Was ist Ihr erster Antwortimpuls? Genauer lautet die Frage, welches dieser Spiele für eine maschinelle bzw. Künstliche Intelligenz (KI) leichter zu bewältigen ist. Diese Spiele jedenfalls wählt H.R. Straub, wenn er in seinem Buch (2021) die Frage beantwortet «Wie die Künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt»**. Für uns Menschen scheint das Jass-Kartenspiel (oder ein ähnliches wie Schafkopf) einfacher als Schach, aber für eine KI ist es gerade umgekehrt. Warum? Das ist sehr kompakt und kurzweilig im Büchlein auf S. 55 ff. nachzulesen.

Den Buchtitel fand ich so ansprechend, dass es bei meiner Sommerlektüre oben auf dem Lesestapel Platz fand. Schon immer habe ich mich gesträubt, den Begriff «Künstliche Intelligenz» in den Mund zu nehmen. Ich war skeptisch, ob «Intelligenz» dem gerecht wird, was diese Systeme wirklich können. Natürlich erscheinen uns Menschen komplexe Rechenleistungen schnell einmal «intelligent», wenn wir sie nicht so einfach mit unserem Gehirn nachvollziehen können. Auch wenn ich das Wie nicht verstehe und deshalb sehr beeindruckt bin von dem, was mein Handy oder Notebook als Devices können, habe ich doch noch nie gedacht, dass ich es hier mit anderen «Intelligenzen» zu tun hätte. So geht es mir eben auch mit den KI-Anwendungssystemen (Applikationen), sogar wenn sie als «Deep-Learning» daher kommen; ich hatte da immer noch Bauchgefühl-Fragezeichen. Jedenfalls habe ich mich darauf verlegt, immer nur entweder von Expertensystemen zu sprechen, die schon in meiner Studienzeit vor fast 40 Jahren Ihren KI Sommer hatten, oder eben. Machine Learning und Neuronale Netze zu sagen. Von letzteren ist heutzutage die Rede, wenn es um Fortschritte bei der sogenannten Künstlichen Intelligenz geht.

Straub lichtet den Nebel meiner argwöhnischen Fragezeichen. Er bringt in seinem Buch gut verständliche Argumente, die zeigen, dass sowohl bei Expertensystemen als auch bei Neuronalen Netzen die «Intelligenz» letztlich von Menschen eingespeist wird. Ich kann das hier nur grob vereinfacht wiedergeben: Expertensysteme bestehen aus Regelsystemen in Form von IF-THEN-Aussagen, welche die Wissensbasis bilden. Diese wird von Fachexpert:innen, sogenannten Knowledge-Engineers, aufgebaut. Und die Algorithmen der sogenannten Inferenzmaschine wenden dieses Regelwerk dann auf Eingabedaten an, um zu den intendierten Ergebnissen der Applikation zu kommen. Diese Inferenzmaschinen-Software ist ebenfalls von Menschen gemacht, von IT-Expert/inn/en eben. Bei der «Wissensbasis» in Form von Neuronalen Netzen lernt die Software diese Regeln hingegen selbst, indem sie mit bestimmten Daten – dem sogenannten Lernkorpus – trainiert. Eh voila – wenn etwas selbständig lernt, ist es doch intelligent? Tja, könnte man meinen. Aber die Daten im Lernkorpus müssen im Vorhinein hinsichtlich der gewünschten Schlussfolgerung bewertet sein, nur so kann das Neuronale-Netz-Hirn lernen, um sein Wissen dann auf neue Daten anzuwenden. Egal wie die Bewertung der Daten im Lernkorpus erfolgt, es stecken eben doch wieder menschliche Inputs dahinter.

Im Lichte dieser Argumente überzeugt mich Straubs Fazit: «KI-Systeme können sehr eindrücklich und sehr nützlich sein, sie verfügen aber nie über eigene Intelligenz» (S. 77). Damit will ich nicht sagen, dass ich maschinelle Intelligenz für harmlos halte und dass wir sie jederzeit unter unserer Kontrolle hätten. Schon Goethes Ballade «Der Zauberlehrling», die wohl viele von uns als Schulstoff hatten, zeigt uns wie schnell der Mensch dem nicht mehr gewachsen ist, was er mit seinen «Zaubereien» entfesselt hat.

Wenn Sie mich angesichts meiner Überzeugung – dass KI nur kann was wir Menschen ihr eintrichtern – für hirnverbohrt oder für eine Spielverderberin halten, dann legen Sie gerne los. Ihre Argumente haben mein Ohr, ist es doch ein sehr interessantes Thema. Vorgängige Lektüre des Büchleins allerdings empfohlen, um sich nicht auf allfällige Provokationen meiner Verkürzung zu stützen.

** Die Kapitel sind auch auf seiner Website zu finden: Künstliche Intelligenz (Übersichtsseite) | Hans Rudolf Straub (hrstraub.ch)

Bildquelle: https://www.pexels.com/photo/crop-person-putting-crumpled-paper-in-box-on-woman-7203718/


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Tags: Kolumne



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