Devices und Apps für Helikoptereltern – mit Fragezeichen

Wie sind Sie als Baby aufgewachsen – mit oder ohne Monitoring-Devices? Mein Kind ohne, obwohl Babyfons damals schon Standard waren. Ich war mir sicher, ein gutes Gespür für seinen Schlafrhythmus und Befinden zu haben, und hielt das für unnötig. Heutzutage, mit Video und Smartphone-App, würde ich wohl doch eine Kamera im Kinderzimmer installieren. Aber interessanter ist die Entscheidung, wann man die wieder abbaut: Wann eigentlich?

Es scheint schwierig, sich als Eltern vom Überwachungsmodus wieder zu lösen. Es soll Kindergärten mit Webcam geben, so dass man jederzeit gucken kann, was das eigene Kind gerade so macht. Gewisse Krippen bieten an, Benachrichtigungen aufs Handy zu schicken: Ihr Kind schläft jetzt; ihr Kind hat gerade gegessen; ihr Kind war gross auf der Toilette, etc.

Als nächstes kommt dann die Schule. Während man hierzulande eher digital-avers ist und sich um den Schutz personenbezogener Daten der Minderjährigen sorgt, ist man in China den Verlockungen der nächsten Generation von Monitoring-Devices für Kinder schon erlegen: In Testschulen tragen sie elektronische Stirnbänder (wie ich in einem Newsletter-Beitrag des https://gi-radar.de 252 gelesen habe). Diese EEG-Headsets messen die Hirnströme der Schülerinnen und Schüler, um den Grad ihrer Aufmerksamkeit im Unterricht mit einer Kontrollleuchte anzuzeigen. Die Focus-Edu-Applikation sendet die Daten nicht nur ans Dashboard der Lehrperson, sie werden auch aufs Smartphone der Eltern geschickt, einschliesslich Vergleich mit allen Kindern der Klasse. Einen ausführlichen Bericht  dazu kann man sich im Video zum Wall-Street-Journal-Artikel ansehen. Es geht um Leistungssteigerung – bessere Noten durch höhere Konzentration – und Erfolgsdruck durch Wettbewerb: Z.B. werden nach einer Schulstunde die Top Drei auf einer Bestenliste herausgehoben.

Das kommt uns wie Science Fiction oder wie die Eingangsszenen eines Horrorfilms vor. Aber sind Vorboten einer solchen Entwicklung nicht schon real? Wenn in einer Familie Eltern und Kinder eine Schrittzähler-App benutzen, um wöchentlich zu vergleichen, wer seine Ziele und die meisten Schritte erreicht hat, klingt das natürlich spielerisch und gesund, und nicht nach digitaler Fussfessel. Nur – verdient nicht auch das schon ein Fragezeichen, so wie die Nutzung dieser EEG-Headsets? Vielleicht kommt es ja so wie in Goethes Ballade «Der Zauberlehrling» und gutmeinende Helikoptereltern sagen eines Tages: Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.


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