Kolumne: Nach 2 Büchern vom – und 4 Wochen im Silicon Valley

Vier von meinen sechs Wochen im Silicon Valley sind um. Wie so viele vor und nach mir, will ich mit eigenen Augen sehen und verstehen, was so besonders an diesem Ort ist. Die Tage füllen sich durch Firmen und Events besuchen, Leute treffen und nicht zuletzt mit den zähen Stunden, um vom einen Ort zum anderen zu kommen.

Zeit und Musse für Lektüre bleiben kaum. Immerhin zwei Bücher habe ich doch gelesen. Das eine ist der Roman „Kraft“ (2017) von J. Lüscher. Darin geht es um einen deutschen Professor, der für die Vorbereitung seines Konferenzbeitrags an der Stanford Universität 4 Wochen ins Silicon Valley reist. Er will die 1 Million gewinnen, die ein reicher Technologieenthusiast für den besten Vortrag zum Thema „Theodicy and Technodicy: Optimism for a Young Millenium. Why whatever is, is right and why we still can improve it.” ausgelobt hat. Das andere ist ein Fachbuch mit dem selbsterklärenden Titel: „Decoding Silicon Valley: The Insider’s Guide“ (2016) von Messina und Baer. Beide übrigens lesenswert.¨

Was habe ich bislang gelernt? Auf jeden Fall eine Menge Vokabeln: Accelerator, Angel Investor, C-Corp, Company Building, Coworking, Incubator, Life-Style-Business, Pitchen, Product-Market-Fit, Startup-Ecosystem, Venture Capitalist, um nur einige zu nennen. Durch das persönliche Erleben braucht man nicht mal eine Flashcard-Memorizing-App dafür.

Von den ersten zwei Wochen stammen Notizen für drei Blogposts. Antwortskizzen auf die Frage, warum alle nach Silicon Valley drängen und warum man dasselbe nicht auch zu Hause erreichen kann. Auf der ersten Notiz steht: Airbnb, Amazon, Apple, Dropbox, Facebook, Google, Oracle, Salesforce, SAP, Tesla, Twitter, Uber, Yahoo, Yelp, Youtube usw. – alle hier. Und dazu Hunderte von Coworking Spaces mit Tausenden von Startups. Die schiere Dichte und Grössenordnung, DAS mit eigenen Augen zu sehen, brennt einem die mächtige Maschinerie des digitalen Fortschritts als unverdrängbar real ein. Zweitens meinte ein Oracle-Engineer (das Software vorm Ingenieur lässt man hier einfach weg), dass die Dekaden an Erfahrung mit Deep Technology im Silicon Valley einfach nicht aufholbar seien. Drittens, erklärte ein Vertreter der Trade Offices von Kanada, seien hier auf engstem Raum „alle“ Unternehmen der Welt versammelt; wenn man z.B. mit Samsung in Korea ins Geschäft kommen möchte, müsse man erst mal gar nicht dorthin, sondern könne hier mit Samsung-Leuten den Kontakt anbahnen. So kurze Wege und unkomplizierte Introductions könne man woanders nicht finden.

Ab der dritten Woche wird mir richtig klar, dass es hier ums fabrikmässige Produzieren und globale Ausrollen von Innovation durchs systematische Grossmachen von Startups geht, und natürlich ums Geld, das dabei verdient wird. Sehr eindrücklich, was in einem Videointerview Dr. Teller, der Captain der Moonshot Factory von Alphabet, in weniger als 3 Minuten zum Systematisieren von Innovation, über ein Problem der Academia, sowie zum Lernen, Gewinnen und was es dabei zu Feiern gilt, sagt (Udacity – 1. Highlight: Innovation).

Jetzt, in der 4. Woche, ist mir allerdings, als begreife ich gar nichts mehr. So wie im einen Buch der Professor Richard Kraft, der immer wieder auf seine schon in Kinderzeiten gewonnene Erkenntnis „Nichts ist einfach“ zurückgeworfen wird. Wie ich so durch die Strassen und Esslokale von Silicon Valley und San Francisco streife, denke ich, wie schmuddelig und schäbig doch vieles ist; die Infrastruktur sieht grösstenteils nach Entwicklungsland aus; in der Haight Street, wo früher fröhliche Hippies anzutreffen waren, hängen jetzt illusionslose junge Leute und Homeless herum. Ist das die Szenerie eines düsteren SciFi-Films? Wo sind sie denn, all die Milliarden, die hier verdient werden? Das kann doch irgendwie nicht sein, dass dies hier „das Zentrum der Welt, der Motor des Fortschritts, der Inkubator der Zukunft“ (Lüscher, S. 63) ist.

Im Roman kommt es übrigens nicht dazu, dass Kraft seinen Vortrag hält und wir die Antwort auf die Preisfrage erfahren. Es kommt auch für die grosse Mehrzahl der Startups nicht der Moment, wo sie die erhofften Exit-Millionen nach Hause tragen können. Und auch mir dämmert, dass ich in der nächsten Kolumne wohl nicht mit einer Kurz-und-einfach-Antwort zur Eingangsfrage aufwarten kann.


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