Schon öfters habe ich Gespräche geführt wie heute. Es ging um Kulturunterschiede, die sich auf Innovationserfolge von Unternehmen auswirken. Weil in Ländern wie der Schweiz und Deutschland die Angst vorm Scheitern leicht verhindere, überhaupt etwas Neues und Riskantes anzupacken, würden sie gegenüber den USA und insbesondere dem Silicon Valley ins Hintertreffen geraten. Bei uns würden Fehlleistungen geächtet, während dort Failure nicht als Schande gilt, sondern als Erfahrungszuwachs wertgeschätzt und sogar gefeiert wird.
Das hört man an jeder Konferenz zu Digital Transformation in mindestens einem Vortrag und die Firmen werden beschworen, eine positive Fehlerkultur zu entwickeln. So einfach ist es mit dem Scheitern aber nicht, finde ich; es kommt mir wie leichtfertig dahingeplappert vor. Was halten Sie von folgenden zwei Thesen:
1. Nicht das Scheitern wird belohnt, sondern wie Personen damit umgehen.
Der Selektionsprozess bei Start-ups im Silicon Valley ist systematisch und rigoros. Wer Venture Capitalists nicht überzeugt, erhält keine Finanzierung. Wer die Ziele und Fristen, zahlende Kunden zu finden und/oder zu wachsen verfehlt, muss aufgeben. Fühlt sich nun dieses Scheitern mit dem eigenen Start-up nach persönlichem Erfolg an? Ist man dann die Karriereleiter hinaufgeklettert? Das gilt m.E. nur für wenige. Viele, die hoffnungsvoll ins gelobte Land Silicon Valley gekommenen sind, gehen stillschweigend wieder nach Hause. Nur wer es vielleicht schon vorher mit einer anderen Geschäftsidee geschafft hat oder die, welche nach ihrem Start-up-Misserfolg bleiben und es hartnäckig und optimistisch weiter versuchen, sind die für ihr „Failure“ Gelobten und Hofierten. Denn das sind, wie natürlich herausgefiltert, Persönlichkeitstypen mit hoher Resilienz. Solche Menschen reagieren auf Rückschläge und Enttäuschungen gestärkt, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Gesundheit erhalten, ist hoch. Und das ist schliesslich eine wichtige Voraussetzung, um erfolgreich die Herausforderungen eines Start-up-Weges zu bestehen. So gesehen wird nicht das Scheitern an sich, sondern diese bestimmte Persönlichkeit und Reaktion auf das Scheitern für gut befunden.
2. Nicht das Scheitern wird gefeiert, sondern der Mut zu Moonshots.
Im Astro Tellers TED-Talk „The unexpected benefit of celebrating failure“ wird klar, warum Leute bei X, der Moonshot Factory, umarmt und beglückwünscht werden, ja sogar einen Bonus und Beförderungen bekommen, wenn sie ihr Projekt für gescheitert erklären. Ähnliches habe ich auch Sebastian Thrun sagen hören, der Google X gründete, nun Udacity vorantreibt und nebenbei als CEO von Kitty Hawk am fliegenden Auto arbeitet. Im Dokumentarfilm „Leben im Silicon Valley – Hightech oder Hölle?“ sagte er sinngemäss: Wir feiern mit der teuersten Flasche Champagner, wenn jemand mit einem Vorhaben gescheitert ist, das sogar die Existenz der Firma hätte bedrohen können. Für ihn ist Furchtlosigkeit ein hoher Wert: „If you celebrate your failures really well, and if you get to the motto and say, ‘Wow, I failed, I tried, I was wrong, I learned something,’ then you realize you have no fear, and when your fear goes away, you can move the world”.
Was hören wir diese Leader da sagen? Der Applaus gilt nicht dem Scheitern, sondern dem Mut und grenzenlosen Optimismus, der gebraucht wird und den Ihre Mitarbeitenden aufbringen, überhaupt die „big, risky, audacious, bold ideas“, um die es in Silicon Valley vielfach geht, als Projekte anzugehen. Generell Scheitern zu feiern und dazu zu ermuntern, das ist nicht die Botschaft. Aber im Fall, dass man die “Can do”-Haltung für diese Vision auf die Spitze treiben will: „We can create the future that is in our dreams“, gehört Scheitern zur Strategie einfach dazu.
Autor: Prof. Dr. Andrea Back
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