Kürzlich wollte ich mir zwei aktuelle Bücher besorgen. Offliner: Die Gegenkultur der Digitalisierung und Update! Warum eine digitale Gesellschaft ein neues Betriebssystem braucht, beide im Stämpfli-Verlag erschienen. Autor ist Cachelin. Für mich ist das Fachliteratur. Deshalb hätte ich die Bücher gerne in digitaler Form gekauft, damit ich sie mit meinen digitalen Werkzeugen bearbeiten kann: Markieren, ausschneidend Passagen sammeln, einfügen in meine Texte – mit Zitat natürlich, Notizen anbringen usw. Es gibt sie aber nur gedruckt, und so entschloss ich mich, beim Verlag anzufragen (ohne mit einem Ja zu rechnen): “… Gibt es eine Möglichkeit, die Bücher in einem digital lesbaren Format zu beziehen? PDF wäre auch o.k., muss nicht ePub sein. Würde auch einen Aufpreis dafür zahlen, da ich mit digitalen Texten effektiver lesend arbeiten kann.”
Eine sehr nette Antwort traf umgehend ein: “Leider gibt es die beiden Produkte (ganz dem Motto “Offliner” verpflichtet) nur als Printausgaben.”
Nun, die Nachfrage war mir wirklich ein Anliegen – ich wollte nicht sticheln. Dieses Zitat sagt es ja treffend: “Ein Buch ist eine Zusammenarbeit von demjenigen, der liest, und dem, was gelesen wird”. Ein Text im Arbeitsumfeld ist für mich deshalb Werkstoff, wie eine Farbpalette für einen Maler. Was ich zum Thema vorab weiss, ist in meinem Kopf wie eine Seite eines Ausmalbuchs, die ich beim Lesen ganz individuell koloriere. Aus Sicht von Autor und Verlag ist das Buch dagegen ein Werk, ein geschütztes Ganzes.
Hmmm, ich kam dann ins Sinnieren. Angenommen, jemand will eine Bibel kaufen; dann bekäme er die passenderweise nur als Schriftrolle. Und wer sich in die antike ägyptische Kultur einlesen möchte, darf sich vor Ort in einem Hotel einmieten, denn die Steintafeln mit den Hieroglyphen kann man sich ja schwerlich unter den Arm klemmen und mit nach Hause nehmen. Nur gut, dass sich diese Logik nicht durchgesetzt hat. Eine andere Sichtweise ist, diese digital-kritischen Bücher als Kunstprojekt zu sehen, als Statement zur Einheit von Inhalt und Form. Nur ist es dann nicht ein wenig halbherzig? Denn auf digitale Verkaufskanäle wie Amazon, Buch.de u.a. wird nicht verzichtet.
Jetzt bin ich also doch zum Sticheln übergegangen, aber das Buch kann ja nichts dafür. Ich will die Lektüre unvoreingenommen und frohen Mutes angehen. Deshalb habe ich mir passend zur Papieranmutung ein physisches, haptisch gewichtiges Buchzeichen gekauft. Eine Anspielung auf die Moderne musste dabei dann doch sein. Wie im Foto zu sehen, ist das Lesezeichen ein herziger humanoider Roboter; beide vertragen sich gut.
Autor: Prof. Dr. Andrea Back
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