Wenn schon unsere Gratiszeitung www.20minuten.ch fragt: «Hat bald jeder einen Roboter?», dann ist es an der Zeit, dies zum Kolumnenthema zu machen.
Unter Roboter stellen sich die meisten mehr oder weniger menschenähnliche Gestalten vor, wie man sie aus Sci-Fi-Filmen kennt; also nicht Drohnen, Rasenmäher oder Putzmaschinen. Humanoide Roboter sieht man fast nur in Demo-Videos (z.B. in diesen Clips mit dem Atlas von Boston Dynamics) oder bei Präsentationsveranstaltungen der Hersteller. Selbst einfache Servierroboter in Restaurants, die in ihrer Form kaum an Menschen erinnern, lösen ein: «Wow» aus und sind ein beliebtes Fotomotiv.
Mit den Humanoiden Robotern ist also noch nicht passiert, was wir mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) vor rund zwei Jahren erlebt haben. Haben uns KI-generierte Texte, Bilder und Songs anfangs im «ChatGPT-Moment» noch völlig verblüfft und viele in einen Rausch der Begeisterung versetzt, sind sie heute praktisch allgegenwärtig und schon kaum mehr der Rede wert, schon fast so wie wir Informationen googeln und Videos schauen. Beim Interagieren und Sprechen mit Software ist der Durchbruch schon erreicht, wie die Entwicklung des Prompting an GenAI zeigt. Und da man intuitiv gerade mit einem hilfreichen Maschinenmenschen sprechend interagieren möchte, könnte man meinen, dass es nur noch ein kleiner Schritt ist, diese KI in einem Maschinenkörper zu verbauen. Und schon wäre der Weg frei, sich mit persönlichen Robotern zu umgeben.
So ist es aber nicht, jedenfalls noch nicht. So war im Oktober 2024 der Auftritt der Tesla-Bots des Typs «Optimus» eine Wizard-of-Oz-Vorstellung. D.h. eine inszenierte Show, bei der Mitarbeiter die Humanoiden fernunterstützten (vgl. Medienberichte).
Das lässt sich mit dem «Moravec-Paradoxon» erklären. Der Informatiker Hans Moravec schrieb in seinem Buch «Mind Children», dass es vergleichsweise einfach ist, Computer dazu zu bringen, Leistungen auf Erwachsenenniveau bei Intelligenztests oder bei Dame spielen zu erbringen, und schwierig oder unmöglich, ihnen die Fähigkeiten eines Einjährigen bei Wahrnehmung und Mobilität zu vermitteln. Es ist also eine grosse Herausforderung, Roboter zu Handlungen zu befähigen, die Menschen als unproblematisch empfinden, weil sie Teil ihrer Natur sind und auf meist unbewussten Fähigkeiten beruhen. Das veranschaulicht ein unerwarteter Unfall, der im Artikel «Roboter sind sowohl zu schlau als auch zu dumm» angeführt wird.
Während eines Schachturniers, 2022 in Moskau, ergriff ein Roboter irrtümlich den Finger des siebenjährigen Jungen, gegen den er spielte, anstatt die zu bewegende Schachfigur. Der Roboter konnte die neue Konfiguration des Schachbretts nicht als Ergebnis eines Zugs interpretieren, den der Junge ausgeführt hatte, bevor der Roboter seinen eigenen Zug beendet hatte. Wichtiger als der Fehler selbst war jedoch die Tatsache, dass die Kraft, die der Roboter normalerweise zum Greifen der Figuren aufwendet, ausreichte, um dem Kind den Finger zu brechen.
Das Moravec-Paradoxon ist also eine Art «Glasdecke», auf die KI in Verbindung mit Robotik stösst, wann immer sie mit der physischen Welt konfrontiert wird. Aber auch diese wird einmal durchbrochen werden, besonders wenn man sieht, welche Schwergewichte, ausser Elon Musks Firma Tesla und anderen, sich neuerdings damit befassen, so u.a. Nvidia (siehe CES 2025 Präsentation des CEO).
Man darf sich also schon heute fragen, wie unsere Welt einmal aussieht, wenn nicht nur Rasenmäher, Putzroboter, Drohnen und Autos erschwinglich sein werden, sondern eben auch Maschinenmenschen. Smartphones gibt es in den USA bereits mehr als Bewohner, und viele Leute haben während eines Tages mehr Bildschirmzeit als Kontaktzeit und Interaktionen mit ihren Mitmenschen. Analog werden wir bestimmt einmal viel mehr Roboter-Mitmenschen um uns haben als unseresgleichen. Wie dystopisch? Wohl eher nicht – vermutlich werden wir diese Kreationen genauso gut und unverzichtbar finden wie unsere Smartphones heute.
Bildquelle: Foto von Eric Krull auf Unsplash
Autor: Prof. Dr. Andrea Back
Tags: Kolumne