Infantilisierung von Management Literatur oder progressives Design?

Vor ein paar Jahren wusste ich noch nicht, was regredieren bedeutet. Als ich gewisse Verhaltensweisen von erwachsenen Menschen in meinem Umfeld irritierend fand, hat mir ein Psychologe die Erklärung dafür geliefert. Man spricht von Regredieren, wenn sich jemand – z.B. im Stress und bei Überforderung – wie in früheren Stufen seiner persönlichen Entwicklung verhält, über die man durch Reifung längst hinausgewachsen ist. Meine Aufmerksamkeit für dieses Phänomen ist seither geschärft.

Es scheint mir allgegenwärtig. Heutzutage laufen Teens und Twens gerne allzeit mit einer Trinkflasche herum, selbst wenn sie nicht beim Sport sind, damit sie jederzeit einen Schluck nehmen können. Das kannte man eigentlich nur von Kleinkindern, denen man die Nuckelflasche in den Buggy legt. Ähnlich verhält es sich mit dem Smoothie-Trend. Wieso muss man Nahrung pürieren wie für Babies oder Kranke? Zum ausgereiften Geschmackserlebnis gehören doch auch Grösse, unterschiedliche Temperaturen, und Tastempfindungen dessen, was man isst. Auch ausserhalb der Alltagskultur ist dieses Regredieren auf eigentlich Kindliches zu beobachten. Auf Youtube ist z.B. die Serie «Sommers Weltliteratur to go» erfolgreich, in der Weltliteratur – insbesondere Theaterstücke – dem Publikum mit Playmobil-Figuren dargestellt und radikal gekürzt näher gebracht werden.

Dies scheint auf jeden Fall ein Muster unserer Zeit zu sein. Sogar in der Managementliteratur. Einige Bestseller sehen bunten Bilderbüchern mit Figuren wie in Kinderzeichnungen ähnlich, “obwohl” ihre Inhalte mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitet wurden und die Autoren aus der akademischen Gemeinschaft kommen und dort hochrangige Forschung und Lehre betreiben. Man nehme nur eines der Design-Thinking-Bücher zur Hand oder beispielsweise auch das Buch “Meet up!”, das von getabstract mit dem International Book Award 2018 ausgezeichnet wurde.

Soll man das gut finden? Geht Einfachheit über alles? Wir denken für unsere nächste Buchpublikation darüber nach, ob wir es eher als Infantilisierung oder doch als progressive und effektive Wissenschaftskommunikation sehen und bei dem Trend mitmachen wollen. Wie ist Ihre Meinung dazu?


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Tags: Kolumne



2 Kommentare

  • Dr. Claudia M. König

    ja, damit sehe ich mich immer wieder konfrontiert! Meine Stuidierenden “lieben” eine für ein Seminar extra in Auftrag gegebene “Kinderzeichnung” der den Ablauf des gesamten Seminars markiert! An der Stelle hab ich zumindest die Vorstellung, unseren Studierenden manchmal entgegen zu kommen und mich dem “Zahn der Zeit” zu beugen. Das gilt aber nicht für Inhalte die Zahlen/ Daten/ Fakten etc. beinhalten. Insofern denke ich, dass für Ihre Publikation eine Mischung gut sein könnte… für bestimmte Themen als Wiedererkennung (darum ging es mir) die “Kinderzeichnungen” (manchmal werden ja auch “Kopffüßler” bemüht :-/) anzufertigen und alles andere in üblicher Manier zu gestalten. Es ist ja sowieso schon eine Menge Methode/ Didaktik zu beachten, wenn es um Lehrmaterial geht. Kleine Häppchen, bloß nicht überfordern… hat sicher Berechtigung und andererseits will ich mein Gegenüber auch fordern und ihn/ sie in ihrem Erwachsenendasein bedienen!

    • Prof. Dr. Andrea Back

      Ja, man kann nicht leugnen dass diese “Kinderzeichnungen” ankommen und wirken. Vermutlich ist es so, dass man jeder Hirnregion den Lieblings-Snack bieten sollte, und die haben eben eine unterschiedliche Natur und Bedürfnisse. Danke für die Anregung und Ermunterung.

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