In Online-Buchungsplattformen von Hotels bzw. anderen Unterkünften fällt mir in letzter Zeit auf, dass die Last-Minute-Stornierung als tolles Produkt-Feature angepriesen wird. Moment mal? Warum soll das gut sein? Für die Anbieter doch sicher nicht. Diese Ungewissheit, ob man seine Zimmer nun belegt hat oder nicht, ist doch stressig.
Warum also tun sie das – oder vielmehr warum tun wir Konsumenten das, uns nur pseudomässig entscheiden, statt uns auf eine bestimmte Wahl festzulegen? Immerhin verbringt man ja einige Zeit im Web, um verschiedene Angebote anzusehen und dann eines für die Ferien oder einen Städtetrip am Wochenende auszuwählen. Ich bin jeweils immer froh, wenn das erledigt ist; wieder ein To-do weniger!
Wozu das Ganze nochmal von vorne anfangen? Es muss aber Leute geben, die das anders sehen. Ich habe deshalb mal bei Bekannten herumgefragt, ob sie ihre Buchungen wieder stornieren. Und JA, sie tun es. Leute, von denen ich dachte, Zeit wäre ihnen das kostbarste Gut. Menschen buchen also ein Hotel lange im Voraus, damit sie eines auf sicher haben. Dann schauen sie später, ob es noch was Besseres gibt, stornieren und buchen woanders – dies vielleicht sogar in mehreren Runden. Kann mir das jemand erklären? Ist das Entscheidungsschwäche? Dabei ist es doch so erleichternd, eine Wahl getroffen zu haben, weil man sich dann gar nicht mehr mit den vielen anderen Optionen befassen muss; dieses nagende Gefühl, noch etwas Besseres finden zu müssen, ist man los.
Aber was ist psychologisch stärker, das viele zur Umentscheidung im letzten Moment treibt, obwohl das doch erhebliche “Gedanken- und Zeitkosten” mit sich bringt? Und wie wirkt das eigentlich auf das ganze System? Leute buchen dann doch mehrere Hotels, um sie später wieder abzuwählen. D.h. wenn ich was buchen will, sieht vieles belegt aus, ist es am Ende aber gar nicht. Können die Häuser dann höhere Preise verlangen, weil sie voll aussehen? Müssen dann nicht in letzter Minute Zimmer zu Sonderpreisen verschleudert werden? Wer ist bei diesem Spiel der Gewinner? Ich vermute mal die Plattformen; so wie im Casino die “Bank”. Selbst wenn man diesen das Geschäft gönnt, so sollte man sich doch fragen, was dieses Gefühl, in letzter Minute hoffentlich noch ein “Schnäppchen” gemacht zu haben, uns persönlich kostet: Mehr Transaktionen mit mehr E-Mails und Zeit am Rechner, weniger Vorfreude, der Stress, das “Beste” finden zu müssen, und das ungute Gefühl, am Ende doch irgendwie ausgetrickst worden zu sein.
Die scheinbare Leichtigkeit des Unverbindlichen hat auch Schattenseiten. Also ich bleibe da erst mal Old-School, bis mir jemand hilft zu kapieren, warum das gut sein soll.
Autor: Prof. Dr. Andrea Back
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