Kolumne: Nudging durch Büroeinrichtung

Die Erkenntnisse zu „Nudging“ (Buch Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt) haben dem Ökonomen R.H. Thaler den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis eingebracht. Es geht darum, wie sich Menschen mit etwas psychologischer List zu erwünschtem Verhalten stupsen lassen. Vor kurzem habe ich selbst eindrücklich erlebt, dass dies sogar für die Gestaltung des Arbeitsumfelds gilt: Nicht nur wie ein Büro insgesamt, sondern auch wie ein einzelner Arbeitsraum eingerichtet ist, beeinflusst die Art, wie man zusammenarbeitet und wie gut das Ergebnis ist. Hier meine beiden Erfahrungen im Vergleich.

Es ging um Arbeitstreffen mit 7 Leuten, jeweils in einem „Sitzungszimmer“ und in einem Workshop-Raum eines Coworking Space. Beides sind grosse Räume mit rechteckigem Grundriss, beschreibbaren Wänden bzw. grossflächigem Whiteboard, beweglichen Flipcharts, dem üblichen Moderationsmaterial und dazu hell vom Tageslicht. Perfekt also?

Nun zu den kleinen, aber feinen Unterschieden: Beim einen ist die Mitte ausgefüllt von sechs mächtigen Tischen und an der Schmalseite ist ein prächtiger LCD-Präsentationsbildschirm hoch an der Wand aufgehängt. Diese Einrichtungsgegenstände bewirken, dass die Leute sich hinsetzen und nur ungern wieder aufstehen; sie stellen ihr Notebook auf die Tischplatte vor sich hin und verabschieden sich hinter dessen vermeintlichem Sichtschutz hin und wieder in die Mailbearbeitung; wer wo an diesem Tischblock sitzt, signalisiert, dass es wohl Haupt- und Nebenrollen in der Sitzungsleitung gibt. Das kollektive Hinaufschauen auf den Grossbildschirm macht einen zum konsumierenden Zuhörer, wobei man untereinander den Augenkontakt verliert; mich persönlich beschlich zudem das Gefühl, dass dieses dominante schwarze Ding mich wie ein grosses Überwachungsauge anglotzt. Kurzum, trotz modernster Einrichtung kam dabei eher eine Sitzung als ein Workshop heraus; es war erfolgreich, aber ich fand es zwei anstrengende Stunden, den Dreiklang von konzentriertem Mitdenken, regem Austausch und Lockerheit zur Entspannung hinzubringen.

Wie anders war im zweiten Fall die Workshop-User-Experience! Wie das Foto zum Beitrag zeigt, gibt es keine Tische zum sich dran Hinsetzen, auch keinen LCD-Bildschirm. Da sind nur frei verteilte Sessel und Sitzblöcke mit kleinen Beistelltischchen. Wenn man Folien zu präsentieren hat, holt man einen mobilen Beamer; der wirft das Bild an die Wand, als wäre es eine Tapete. Erstaunlicher Effekt: Die Projektion auf Augenhöhe wirkt, als könne man in das Gezeigte hineinlaufen, ohne gefühlte Barriere oder Distanz. Wir wurden dadurch nicht zu passiven Zuschauern und blieben durch Augenkontakt verbunden. Diese Anordnung bewirkte, dass sich alle immer wieder im Raum bewegten. Da es genug freien Platz vor der Whiteboard-Wand gab, wurde es von Anfang an genutzt und zum Rückgrat des Arbeitsergebnisses. (Tipp: Dass es ein vollflächig magnetisches ist, hat auch sehr positive Wirkung auf den mühelosen Fluss des Mitdokumentierens). Die lockere und mobile Sitzordnung erleichterte, dass immer mal jemand anders die Initiative bzw. Führung übernommen hat. Selten bin ich in einen Sitzungsraum einfach reinmarschiert, ohne Material mitzubringen, und es entstand ganz natürlich ein so produktiver Arbeits-Flow. Ich bin immer noch von dieser Erfahrung erfüllt.

Jetzt kommt natürlich die Frage, wo das war: Das Photo zeigt uns in einem Raum der Workeria im Technopark Winterthur. Wenn es einen Nobelpreis für produktive Arbeitsumfeldgestaltung gäbe, würde ich dieses Beispiel nominieren. Kleiner Aufwand, grosser Effekt, Kompliment: Wirklich gut ge-nudged!

Photo: Arbeitstreffen in der WORKERIA, Technopark Winterthur


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