Artificial Intelligence (AI) Everywhere, das ist einer der drei grossen Trends, die Gartner derzeit ausruft. Deep Learning, Machine Learning, Cognitive Computing – sie erweitern unser Gehirn um übermenschliche Fähigkeiten. Es geht ums besser Denken und Entscheiden. Nun verfügen wir ja nicht nur über ein Denkorgan, sondern haben auch Gefühle, ein Bauchhirn und sieben Sinne. Angesichts des AI-Hype ist leicht zu übersehen, dass uns die Digitalisierung auch Sinneserweiterungen schenken kann. Solche habe ich gerade selbst erfahren, am vergangenen Wochenende im Appenzellerland bei einem Konzert von www.klangmoorschopfe.ch (ganz ohne Drogen übrigens). Im Kooperationsprojekt von WeSpoke und dem Schweizer Biohackerspace Hackuarium wurden für uns ansonsten stumme Naturelemente mit Hilfe von verschiedenen Sensoren und Computertechnik hörbar gemacht.
Man staunt, was wir so alles nicht mitkriegen, das um uns herum tönt. Nur schon die Alpha-, Beta- und Gammastrahlen, die unterschiedlich von Objekten wie Sand, Glas, Backpulver oder einem Zifferblatt ausstrahlen, sind für sich genommen ein Musik-Track. Wenn dann noch die Fürzchen der Hefekulturen rhythmisch tönen und das Moosbrett mittels der individuellen elektrostatischen Körperladung wie ein Klavier bespielt wird, fühlt man sich in eine neue faszinierende Wahrnehmungswelt versetzt.
Dies zu erleben, macht Lust auf eine Cyborg-Existenz. Am diesjährigen St.Galler Symposium war Neil Harbisson zu Gast. Er hat sich eine deutlich sichtbare Antenne ins Hirn pflanzen lassen, damit er Farben hören kann, auch welche, die ein Mensch normal gar nicht sehen kann, und solche, die ihm über den Internetanschluss seiner Antenne von fernen Freunden geschickt werden. Lassen Sie sich von ihm persönlich erklären, wie sich das anfühlt, mit einem neuen, künstlichen Sinn zu leben: https://www.youtube.com/watch?v=C_OnYqx3ynA (8:40 Min). Er prognostiziert darin, was sich schon in der „Living Instruments“-Darbietung abzeichnet: „The future of art will be the creation of your perception of the world“. Dafür werden sich immer mehr Menschen mit diversen künstlichen Sinnen ausstatten, im Geist der Cyborg-Bewegung „Design Yourself“. Damals im Mai am Symposium fand ich das äusserst befremdlich. Heute, nach der computervermittelten Hörerfahrung von Living Instruments, vermisse ich bereits den Sound meines Trinkglases und der Steine auf meinem Weg. Jetzt glaube ich eben doch, dass die Operationen für Künstliche Sinne bald so populär sein werden wie die Schönheitschirurgie heutzutage.
Autor: Prof. Dr. Andrea Back
Tags: Kolumne